Welcher Sattel für welches Pferd?

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Anatomische Voraussetzungen beim Pferd

Fachhochschule für osteopathische Pferdetherapie

Bild: Fachschule für osteopathische Pferdetherapie Barbara Welter-Böller

Die Auswahl eines passenden Sattels für ein Pferd ist immer wieder eine mehr oder weniger große Herausforderung.

Der Grund dafür: Pferde sind entwicklungsgeschichtlich nicht zum Tragen von Lasten geeignet. Sie sind in der Funktion ihrer Körperteile so ausgebildet, dass sie sich hauptsächlich im Schritt grasend vorwärtsbewegen. Hier ist das Pferd in der Balance und der Masseschwerpunkt befindet sich in der optimalen Position. Jedes Abweichen von der Balance kostet unnötige Kraft.

In der  Gesamtheit des Zusammenwirkens aller Muskeln werden die Impulse ständig über den gesamten Körper vermittelt- die Stellung in Zeit und Raum rückgemeldet und wiederum allen (!) Muskeln mitgeteilt. Hier sind durchgängig alle Muskeln beteiligt, zum Beispiel vom Beuger der Hinterzehe bis zum Muskel,  der am Brustbein ansetzt und bis zum Halswirbelstrecker.

Dieses ist ein in der Natur harmonisches Zusammenspiel von Knochen, Gelenken, Muskeln, Sehnen, den großen alles verbindenden Bändern und Faszien, welches vom Kopf bis zur Hinterhand das Pferd innerhalb eines großen Spannungsbogens umrahmend alles verbindet. Dieses Zusammenspiel dient dem Getragensein des Pferdekörpers in allen Lebenssituationen.

Die Muskeln, die wir in den Körperregionen finden wo wir den Sattel auflegen, haben andere Funktionen als das Gewicht des Reiters zu tragen. Der lange Rückenmuskel (M. Longissimus dorsi) biegt die Wirbelsäule durch Kontraktion nach unten, in der nächsten Phase der Bewegung wird er durch andere Muskeln wieder  gedehnt und erlaubt die Wölbung der Wirbelsäule nach oben- er wird auch aktiv bei der Biegung des Pferdes  zur Seite.

Der Trapezmuskel (M. Trapezius) bewegt das Schulterblatt, der breite Rückenmuskel (M. Latissimus dorsi ) ist mit für die Bewegung des Oberarmes und der gesamten Vorhand verantwortlich.

Dennoch ist die gesunde Funktion dieser  Muskeln und fast aller (!)  Muskelstrukturen des Pferdes  für seine Fähigkeit einen Sattel zu tragen wichtig.

Der zwischen den Vorder- und Hintergliedmaßen aufgehängte Rumpf des Pferdes macht ca. 1/3 des Gesamtgewichtes aus. Dieses erhebliche Gewicht wird durch eine geniale Konstruktion der Natur getragen. Die Rücken und Lendenwirbelsäule, der M. Longissimus dorsi  sowie das lange Rücken-Nackenband wirken wie ein Spannbogen. Die Bauchmuskulatur einschl. der sehnigen Anteile und der Faszien wirken wie die Sehne, die den Bogen spannt und so den Rücken in eine leichte Biegung nach oben bringt.

Das Pferd trägt in der Natur sein Gewicht in mittlerer Anspannung mit leicht gewölbtem Rücken über den Spannungsbogen des langen Rücken- Nackenbandes (Ligamentum Supraspinale) welches vom Kopf, verbunden mit wirbeleigenen Muskeln, aber auch den großen oberen und tieferen Hals-, Rücken- und Beckenmuskeln zum Becken und den Schweifwirbeln zieht, bildet so den sogenannten dorsalen Anteil des Spannungsbogens.

Im Bereich des Halses  ist das Band elastisch, nimmt aber im weiteren Verlauf an Elastizität ab. An seiner Spannung sind über die Wirbel auch die großen Halsmuskeln, die Rückenmuskeln und die schubgebende und vorwärtsbewegende  Muskulatur der Hinterhand beteiligt. Durch seine Befestigung an den Dornfortsätzen der Wirbel ist es ein bedeutender Stabilisator des Trageapparates des Rumpfes des Pferdes.

Das Nacken- Rücken-Band steht  also mittelbar über die kurzen,  wirbeleigenen Muskeln auch  in Verbindung mit den Hals- und Rückenmuskeln und den seitlichen und bauchwärts  nach hinten ziehenden großen Faszien, den breiten flächigen Bandansätzen, den Bauchmuskeln sowie der großen Hinterhandmuskulatur bis zum Becken. Diese bilden den oberen  Bogen.

Dieser „dorsale Spannungsbogen“  geht über in die sogenannte „Ventrale Kette“  diese zieht vom Becken aus wiederum zurück bauchwärts seitlich nach unten über die seitlichen Fascien, die Bauchmuskulatur dann weiter  über  die gelbe Bauchhautfaszie zur mittleren Bauchlinie (Linea Alba) hin zum Brustbein und seiner Muskulatur, zur Schulter, und über die langen unteren und seitlichen Halsmuskeln zum Kopf (Unterkiefer, Zungenbein, Genick ).

Mit den unteren Halsmuskeln dem Trapezius, dem Rhomboideus und den Brustmuskeln ist wiederum verbunden die Muskulatur der Schultergliedmaßen, die durch die Aufwölbung des Rückens angehoben wird und in  ihrer Vorwärtsbewegung   den Schub der Hinterhand nach vorne oben bringt- sie fängt den Schub und die Last in einer federnden Vorwärtsbewegung mit nach vorne erst nach oben, dann nach unten gewölbtem Hals ab und bringt so den Rumpf des Pferdes erst in die Vorwärtsbewegung. 

Diese geniale Konstruktion funktioniert jedoch nur, wenn das Pferd  so geritten wird, dass die Kräfte aus der Hinterhand über den Rücken mit Hilfe der  ventralen Kette nach vorne oben übertragen werden zur Vordergliedmaße.  

Nur ein korrekt gerittenes Pferd kann die „Zweckentfremdung“ Reiten ohne körperliche Schädigungen überstehen.

Das Pferd trägt die Last seines Körpergewichtes hauptsächlich in oben geschilderter  Art „Aufhängung zwischen Vor- und Nachhand“ .

Ein von oben auf den Rücken einwirkende punktuelles Gewicht , teilweise bis zu 130 KG!!! KG, welches sich in der Bewegungsdynamik auch verdreifachen kann,   ist  also völlig wiedernatürlich und steht der natürlich Dynamik des Pferdes erst einmal entgegen. Die Rückenmuskulatur kontrahiert sich reflektorisch unter dem Gewicht – der Rücken wird nach unten durchgedrückt.

Das Pferd muß demzufolge so ausgebildet werden – und das dauert  ca. 1-2 Jahre, dass es auch ausbalanciert bleibt, wenn es den Reiter trägt.

Das bedeutet, die korrekte Ausbildung führt im positiven Fall dazu dass der Reiter in der Bewegung bei aufgewölbten Rücken des Pferdes „mitgenommen“ wird in die Bewegung, nicht aber wie heute oft- „geschleppt“ wird. Alle Muskeln des Bewegungsapparates müssen dazu trainiert werden- nicht etwa wie oft gehört- der Longissimus oder gar der Trapezius allein. Rassebedingt und Exterieurbedingt fällt dieses einigen Pferden leichter als anderen. Vergleiche z.B.  das QH mit dem Friesen.

Die Schiefe der Pferde angeboren und meistens weiter ins Pferd geritten- stellt für die Besattelung oft ein nicht unerhebliches Problem dar. Der gerade und symmetrische Sattel erzeugt auf dem unsymmetrischen Pferderücken einseitig überhöhte Drücke. Durch den mehr oder weniger oft sogar gelichseitig schiefen Reiter wird dies Problem teilweise noch erheblich verstärkt. Bei der Passformkontrolle des Sattels mit einer Computer-Druckmessmatte zeigt sich dies in vielen Fällen sehr deutlich. Eine asymmetrische Anpassung würde den schiefen Sitz des Reiters fördern und die Schiefe des Pferde noch unterstützen, ist also kontraproduktiv. Es gibt die Möglichkeit durch Anpassung von sattelunterlagen den Sattel korrekt und gerade auf das Pferd zu legen, bis das Pferd evtl. geradegerichtet geritten wird. Ein osteopathischer/physiotherapeutischer Grundcheck vor der Besattelung kann hier Hilfestellung leisten. Beckenschiefstand oder Probleme im Iliosacralbereich wirken sich auf die Sattellage ebenso aus wie Schulterschiefstände. Die Schulter des Pferdes ist mit dem Körper nicht durch ein Gelenk verbunden (Pferde besitzen kein Schlüsselbein) Das Pferd ist zwischen seinen beiden Vorderbeinen und den Schulterblättern nur durch eine muskuläre Verbindung aufgehängt. Eine unterschiedliche Bemuskelung bewirkt eine veränderte Stellung der Scapula. Wenn z. B. die den Pferdekörper tragenden Muskeln auf der einen Seite schwächer sind, hängt der Rumpf weiter nach unten durch und die Scapula steht höher, steiler.

Auswahl des optimalen Baumes

Der Sattelbaum ist das wesentliche Konstruktionselement eines Westernsattels und bestimmt die Passform für das Pferd, die Sitzgröße und Sitzanatomie für den Reiter. Westernsattelbäume können aus verschiedenen Materialien hergestellt werden. Die günstigsten Bäume bestehen aus Ralide, einem starren Kunststoffmaterial. Die Stückkosten dieser Bäume sind sehr gering, die Formkosten jedoch hoch. Daher gibt es nur wenige unterschiedliche Passformen.

Traditionell werden Westernsattelbäume aus Holz hergestellt. Die einzelnen Elemente (Fork, Cantle und die Bars) werden kopiergefräst. Da dieses Herstellungsverfahren auch bei kleinen Losgrößen wirtschaftlich ist, existieren viele verschiedene Passformen und Ausführungen. Die zusammengefügten Holzteile werden entweder mit Rohhaut (ungegerbtem Leder) oder Glasfiebermatten ummantelt.

Seit ca. 15 Jahren bieten verschiedene Hersteller Westernsattelbäume aus einem leicht flexiblen Kunststoffmaterial an, die immer mehr Freunde finden. Fork und Cantle sind bei diesen Bäumen auch aus Holz, also starr. Die Bars und der Sitzaufbau bestehen aus einem hochwertigen dauerelastischen Kunststoff.

Sattelbaum KunststoffDaher können, wenn es notwendig ist, die fertigen Bäume beim Bau des Sattels noch leicht verändert werden, um sie dem jeweiligen Pferd optimal anzupassen. Die flexiblen Sattelbäume setzen den Reiter dichter ans Pferd als herkömmliche Holzbäume und lassen Gewichtshilfen sehr gut durchkommen, unkorrekte Hilfen selbstverständlich auch.

Die Passform eines Westernsattelbaumes formt die Passform des fertigen Sattels.

Zwischen Baum und Pferderücken befindet sich nur das ca. 6 mm dicke Skirtingleder und eine Abdeckung durch Synthetik-Fleece oder dünn geschorenes Lammfell. Da diese Bauteile durchgehend gleich dick sind, verändern sie die Passform des Sattels nicht. Ein dickes Pad trägt zwar bei einer steil gewinkelten Sattellage im Bereich der Schulterpartie mehr auf als ein dünnes, diese Veränderungen sind jedoch offensichtlich und gut kalkulierbar.

Folgende Formdetails sind für die Passform eines Westernsattelbaumes entscheidend:

  • Winkelung der Bars vorne
  • Winkelung der Bars hinten
  • Twist (die Stelle wo sich die Winkelung von steil in flach dreht)
  • Rock (Biegung in Längsrichtung)
  • Kammerweite (Semiquarter bis X Fullquarter)

Leider ist die Kammerweite das einzige Maß, welches von den meisten Baum- und Sattelherstellern angegeben wird. Außerdem sind diese Angaben von verschiedenen Herstellern und Ausführungen nicht immer vergleichbar.

Wenn man nur den Baum eines Westernsattels auf die Sattellage eines Pferdes legt, sieht man wie die Bars auf dem Pferderücken aufliegen.

Ein Sattel mit Sattelkissen liegt mit der Rundung seiner Kissen meist recht gleichmäßig auf, relativ unabhängig von der eigentlichen Winkelung des Baumes. Dafür ist die Auflagefläche aber deutlich kleiner.

Die große Auflagefläche des Westernsattels trägt nur dann, wenn die Bars flächig aufliegen und nicht nur mit der oberen oder unteren Kante.

Auflage Sattel

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